Führungsaufsicht für Kleriker

Der Erzbischof von München und Freising

Führungsaufsicht für Kleriker

Dekret

Führungsaufsicht für Kleriker, denen wegen schwerwiegender Delikte die Ausübung der mit ihrer Weihe verbundenen Befugnisse untersagt ist.

In Konkretisierung der „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“, insbesondere des Absatzes 51, wonach dem Ordinarius obliegt, „dafür Sorge zu tragen, dass die von ihm verfügten Beschränkungen oder Auflagen eingehalten werden“, wird hiermit die Führungsaufsicht für Täter normiert, die Kleriker sind. Diese sind trotz der Strafe der Suspension weiterhin der bestehenden Aufsicht- und Fürsorgepflicht des Diözesanbischofs anvertraut. Missbrauchstäter im Sinne dieses Dekrets sind Kleriker, die sich nach dem Dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland oder gemäß Art. 4 § 1 nn. 1 oder 4, soweit sie an Minderjährigen oder Personen begangen werden, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist, oder Art. 6 § 1 Normae de gravioribus delictis strafbar gemacht haben.

§ 1 Ziele

Primäres Ziel ist der Schutz von Opfern sowie die Vermeidung von weiteren Straftaten, Übergriffen und Grenzverletzungen. Ferner wird die eventuelle Wiedereingliederung in das Arbeitsleben angestrebt, um den negativen Konsequenzen von Untätigkeit entgegenzuwirken und vorhandenes Potenzial zur Geltung zu bringen.

Darüber hinaus ist mit der Beschäftigung suspendierter Kleriker der Gefahr eines „clericus vagans“ sowie der sozialen Isolation, die diese durch ihre Taten selbst erwirkt haben, entgegenzusteuern. Ferner soll so weit wie möglich verhindert werden, dass erneute Auffälligkeiten unbemerkt bleiben.

§ 2 Führungsinstrumente

a) Arbeitsgruppe Führungsaufsicht

Zur Koordination und Beratung der gebotenen Maßnahmen wird die Arbeitsgruppe Führungsaufsicht eingerichtet, deren Mitglieder durch den Generalvikar ernannt werden.

Durch die Arbeitsgruppe Führungsaufsicht ist zu prüfen, ob es angeraten ist, klerikale Missbrauchstäter zu einer psychologischen und/oder geistlichen Begleitung zu verpflichten.

Aus den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Führungsaufsicht wird durch den Generalvikar eine Aufsichtsperson zur Überwachung der verfügten Maßnahmen hinsichtlich der Lebensführung bestellt. Diese Person bedarf einer der Aufgabe angemessenen fachlichen Qualifikation.

b) Beschäftigung

Eine Beschäftigung in der Kirche kann nur unter Ausschluss von Parteiverkehr sowie dem Kontakt mit Minderjährigen und minderjährigen Auszubildenden in Betracht gezogen werden.

c) Gruppenarbeit

Sollte die Arbeitsgruppe Führungsaufsicht zu dem Ergebnis kommen, dass die Teilnahme an einer Gesprächsgruppe für Missbrauchstäter angezeigt ist, wie sie das Münchner Informationszentrum für Männer (MIM) in Kooperation mit dem Kinderschutzzentrum anbietet, so hat die Aufsichtsperson in Gesprächen mit dem Missbrauchstäter auf eine Teilnahme hinzuwirken. Entscheidungsgrundlagen der Arbeitsgruppe können unter anderem Berichte der Aufsichtsperson und Dokumente über staatliche oder kirchliche Strafmaßnahmen bzw. Ermittlungsergebnisse sein. Ziel dieser Gesprächsgruppen ist eine dauerhafte Verhaltensänderung, der eine grundlegende Änderung der Betrachtungsweise von Minderjährigen vorausgeht.

§ 3 Lebensführung

Klerikale Missbrauchstäter haben jeden Kontakt zu Minderjährigen zu vermeiden; ihnen ist jegliche Haupt-, Neben- oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Kontaktmöglichkeiten zu Minderjährigen verboten. Dienstliche und private Reisen bedürfen unter Angabe des Reiseziels, des Reisezeitraums und des Reisezwecks der vorhergehenden Genehmigung durch das Ressort Personal.

Ergibt sich aus der Lage der privaten Wohnung ein erhöhtes Risiko, etwa wegen einer im unmittelbaren Umfeld gelegenen Kita, kann das Ressort Personal auf der Grundlage einer Empfehlung der Arbeitsgruppe Führungsaufsicht einen Umzug anordnen.

§ 4 Kontrollmaßnahmen

Die Aufsichtsperson überzeugt sich durch regelmäßige, in festgelegten Intervallen stattfindende Besuche des Missbrauchstäters in seiner Privatwohnung von der Einhaltung der Auflagen. Darüber hinaus ist es ihre Aufgabe, sich einen Eindruck von der Lebenssituation und der psychischen Gesamtverfassung zu verschaffen und die Arbeitsgruppe Führungsaufsicht hierüber durch Protokolle sowie einen jährlichen Entwicklungsbericht schriftlich zu informieren.

Wenn ein Missbrauchsopfer eine Art „Täter-Opfer-Ausgleich“ wünscht, wird dies von der Aufsichtsperson mit dem klerikalen Missbrauchstäter thematisiert mit dem Ziel, diesen Ausgleich auf der Grundlage der freiwilligen Bereitschaft des Täters zu ermöglichen.

Der Missbrauchstäter wird über die für ihn festgelegten Intervalle der Besuche sowie deren Zuordnung zum forum externum informiert.

§ 5 Strafandrohung

Verstöße gegen die Maßnahmen der Führungsaufsicht werden hiermit gemäß can. 1319 CIC unter Strafe gestellt. Die Nichtbeachtung der in diesem Dekret genannten Auflagen kann mit einer Kürzung der Bezüge bis zur Höhe des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV) geahndet werden. Sollte ein klerikaler Missbrauchstäter erneut einschlägige Handlungen begehen, werden diese strafrechtlich unmittelbar verfolgt und geahndet, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgeschlossen.

Dieses Dekret ist im Amtsblatt zu veröffentlichen und tritt am 1. Juni 2019 in Kraft.

München, den 31. Mai 2019

Reinhard Kardinal Marx

Erzbischof von München und Freising

Veröffentlichungsdatum: 31.05.2019

Datum des Inkrafttretens: 01.06.2019

Normgeber: München und Freising

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